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Die ersten 50 Jahre (1839 - 1889)

Aufgrund der Akten des Kreisarchivs Warendorf und des Staatsarchivs Münster lassen sich über die ersten fünfzig Jahre des Vereins einige neue Erkenntnisse gewinnen und falsche Auffassungen berichtigen. Der Art der Quellen entsprechend, beschränken sie sich auf Bereiche des Vereinslebens, die behördlicher Kontrolle unterstanden und aktenkundig wurden, d.h. auf Rechtsfragen: personale Zusammensetzung des Vorstands und Statuten. Über Könige, Throngesellschaften, Offizierskorps und Festereignisse sind wir weiterhin auf die Quellen angewiesen, die August Fennenkötter vor fünfzig Jahren restlos ausgeschöpft hat.

Wie bereits in den vorigen Abschnitten gezeigt wurde, muß der Verein sich von der Vorstellung trennen, der Amtmann und Bürgermeister Wessel sei der erste Vorsitzende des Schützenvereins gewesen. Bernhard Wessel war nicht, wie behauptet, gebürtiger Sassenberger, sondern stammte aus Münster (get. 4.7.1796) und kam erst Ende 1840 als Nachfolger Schückings nach Sassenberg, als der Schützenverein längst bestand. Er hatte Privatwohnung und Diensträume im Haus Nr. 5 auf der Schloßstraße (spätere Kaplanei), das dem Kaufmann und Schenkwirt Christian Heyne gehörte. Nach dem Tod seiner ersten Frau (15.1.1841) heiratete er am 2.10.1847 in Sassenberg die 27-jährige Tochter seines Amtsvorgängers, Adolphine von Schükking.

 

gesang

Auf dem Foto dieser Sassenberger Männergesellschaft (Gesangverein?) sind auch viele prominente Schützenbrüder abgebildet.

Vordere Reihe v.1.: 1. unbekannt, 2. Caspar zum Egen, 3.Alexander Theben, 4. Franz Deno, 5. Hubert Theben.

Mittlere Reihe: 1. Gastwirt Niemann-Heyne, 2. Förster Hölker, 3. Heinrich Breuer, 4. Heinrich Haack, 5. unbekannt. Zwischen Breuer und Haack in der letzten Reihe Wilhelm Vennemeyer.

 

Amtmann Wessel zeichnete sich nicht gerade durch besonderen Diensteifer aus. In Sassenberg erzählte man sich, daß eines Morgens um sieben Uhr der Oberpräsident von Vincke ihn unangemeldet besucht und dienstlich zu sprechen gewünscht habe. Das Dienstmädchen hielt den Mann im grünen Lodenmantel für einen Bauern und beschied ihn, der Amtmann pflege erst um neun oder halb zehn Uhr aufzustehen, er müsse solange warten.

Am 27.7.1858 reichte Wessel ein Gesuch um vorzeitige Entlassung und Pensionierung ein, um einer drohenden Amtsenthebung wegen seit Jahren mangelhafter Geschäftsführung zu entgehen. Er hatte zum Beispiel von 1851 - 57 wegen Nichterledigung von Verfügungen, persönlicher Abwesenheit ohne Vertretung und Absperren des Amtshauses während der Dienstzeit 35 Ordnungsstrafen erhalten. Auch das außeramtliche Verhalten ließ angeblich zu wünschen übrig. Dem Gesuch wurde stattgegeben, und Wessel verzog.

Auch sein Nachfolger, Amtmann Heinrich Möllers, ist nie Vorsitzender des Sassenberger Schützenvereins gewesen. Es bleibt unerfindlich, wie die beiden Beamten zu dieser unverdienten Ehre gekommen sind. Möglicherweise ist es mißverstanden worden, daß sie als Bürgermeister die Anträge des Schützenvorstands zur Abhaltung der Schützenfeste an den Landrat weiterleiteten und mit ihrem Namen unterzeichneten. Bei Amtmann Möllers könnte auch eine Verwechslung die Ursache sein, da er lange Jahre Vorsitzender des Kriegervereins war.

Als erste Vorstandsmitglieder des Schützenvereins sind die eingesessenen Sassenberger Mersmann, Sondermann, Wallmeyer und zum Egen anzusehen. Ob es eine Rangfolge unter ihnen gab, oder ob sie ein Kollegium gleichberechtigter Vorsitzender bildeten, ist nicht mehr festzustellen. Auch das Ende ihrer Amtszeit ist nicht bekannt. Da der Verein kein Eigenleben führte, sondern nur die Schützenfeste organisierte und während der übrigen Zeit des Jahres praktisch nicht in Erscheinung trat, ist nicht einmal zu sagen, ob man in den Zeiträumen, in denen kein Fest nachzuweisen ist, von einer Weiterexistenz des Vereins sprechen kann. Die erste Satzung, die dem Bürgermeister von Schücking im Mai 1840 eingereicht und die 1842 zuletzt erwähnt wurde, ist nicht erhalten. Aus beiläufigen Bemerkungen geht hervor, daß sie weniger dazu diente, das Vereinsleben zu regulieren, als den polizeilichen Vorschriften Genüge zu tun. Die Schützenfeste durften keine öffentlichen Veranstaltungen sein, Personen von "tadelhaftem Charakter" durften nicht aufgenommen werden, der Vorstand mußte jederzeit Störenfriede vom Festort entfernen können.

Diese erste Satzung wird von der nächstfolgenden des Jahres 1860 nicht erwähnt und auch nicht ausdrücklich außer Kraft gesetzt. Es sieht so aus, als habe sich der Verein samt Satzung und Vorstand nach 1844, dem letzten eindeutig nachgewiesenen Schützenfest, ohne förmlichen Beschluß von selbst aufgelöst, und als sei 1860 eine Neugründung erfolgt. Zumindest was die Besetzung des Vortandes angeht, herrscht von den frühen vierziger Jahren bis 1860 eine totale Überlieferungslücke. Es finden sich lediglich vage Hinweise auf Schützenfest für die Jahre 1848, 1855 und 1857 (s.u.), wobei unsicher bleibt, ob es sich um denselben oder Oberhaupt einen Verein handelt. Die am 29. April 1860 verabschiedeten Statuten sind im Vereinsarchiv erhalten und stellen eines der wichtigsten vereinseigenen Zeugnisse dar. Das Schriftstück enthält eine Vereinssatzung in vierzehn Punkten und im Anhang die Namen und die Funktion der neugewählten Vorstandsmitglieder.

 

Statuten der Schützengesellschaft zu Sassenberg.

    1. Wer achtzehn Jahr alt ist, im Amte Sassenberg - Füchtorf ausgenommen wohnt und nach Meinung des Schützenvorstandes in gutem Rufe steht, kann als Mitglied aufgenommen werden. Fremde können auch ohne Mitglieder zu sein an den Festlichkeiten theilweise sich betheiligen. Einheimische Nicht-Schützen gegen Zahlungvon 25 Silbergroschen.

    2. Der Vorstand führt die Direction, ordnet die Festlichkeiten und sorgtfür alles, was er für nöthig hält; wählt einen Schieß- und Ballvorstand, setzt die gewöhnlichen und außergewöhnlichen Beiträgefest und besorgt die Einnahme und Ausgabe der Schützengelder.

    3. Wer die vom Vorstand festgesetzten Beiträge nicht zur bestimmten Zeit bezahlt, kann ausgeschlossen werden

      und hat dann wie jeder freiwillig Austretende, an dem etwaigen Vermögen der Gesellschaft keinen Anspruch.

    4. Wer ohne gegründete Ursache ein oder mehrere Schützenfeste nicht mitmacht hat die in diesen Jahren von jeden einzelnen Schützen gezahlten Beiträge nachzuzahlen. Neue Mitglieder zahlen 5 Silbergroschen außer den gewöhnlichen Beitrag.

    5. Wer sich den Anordnungen des Vorstandes nicht fügt, kann zu einer Strafe bis 10 Silbergroschen verurtheilt, im Wiederholungsfalle auch von der Gesellschaft ausgeschlossen werden.

    6. Die gewöhnlichen Versammlungen beruft der Vorstand, auch soll auf schriftlichen Antrag von mindestens zwölf Mitgliedern eine außergewöhnliche Zusammenkunft veranlaßt werden.

    7. Wenn der Vorstand Gegenstände zur Abstimmung geeignet hält, sollen -je nach Wichtigkeit - 213 oder 112 der Schützen anwesend und die einfache Stimmenmehrheit entscheidend sein.

    8. Zum Laden der Büchsen wird vom Vorstand ein zuverlässiger Mann angestellt - in diesem Jahre Pohlmann in Peckeloh.

    9. Der Schießplatz ist beim Waldwärter Hölker. Das Fest wird beim Gastwirth Herrn Börding in diesem Jahre und zwar am 15. July gefeiert. Sämtliche Schützen versammeln sich zur festgesetzten Zeit, anständig gekleidet mit einem Gewehr versehen im Zelt. Vorstandsmitglieder, Qffiziere und über 50 Jahr alte Schützen ohne Gewehre. Für dieses Jahr wird nach der Scheibe geschossen.

    10. .Die Schußliste fertigt der Vorstand an, bestimmt und prämiert die besten Schützen. Das Schießen geschieht aus den vom Vorstand beschafften Büchsen, die kein Schütze selbst laden darf

    11. .Brantwein und Liqueure werden während der ganzen Feierlichkeit nicht verabreicht.

    12. Sämtliche Schützen tragen ein vom Vorstande zu anschaffendes Abzeichen.

    13. Speisen und Getränke werden nach einer vom Vorstande anzufertigenden Taxe gleich bezahlt.

    14. Wer beim Zuge nach und vom Schützenplatze fehlt muß außer den gewöhnlichen Beitrag 15 Silbergroschen zahlen, wer beim exerziren fehlt oder zu spät kommt zahlt 2 1/2 - 5 Silbergroscheu Strafe. Über Entschuldigungsgründe entscheidet, wie in allen zweifelhaften Fällen, der Vorstand.

Durch Stimmenmehrheit wurde zu Vorstandsmitgliedern gewählt:

1. Franz Deno

2. J. Kottenstedde

3. W. Hunkenschröder

Major: B. Krummkamp

Adjutant: Jac. Wallmeier

Fähnrich:  Anton Breuer

Offiziere:  Frz. Klemann, F Läge, B. Große Twehues,Jos. Tacke

Schießvorstand:  J. Kottenstedde, W. Hunkenschröder

Ball Vorstand: Franz Deno

Rechnungsführer: sämtliche Vorstandsmitglieder

Sassenberg 29. April 1860

(gez.) Deno    (gez.) Fr. Hunkenschröder    (gez.) H. Ostlinning

Bei der Neukonstituierung des Schützenvereins lebte vom vierköpfigen Gründungsvorstand nur noch Melchior zum Egen. Es bestand aber zwischen dem alten und dem neuen Vorstand eine personale, familienmäßige Kontinuität, wie im folgenden zu zeigen sein wird.

Der neue erste Vorsitzende, Franz Deno, war ein vermögender Mann aus einer respektablen Familie. Sein Vater Adam Deno, Sohn eines bekannten münsterländischen Kaufmanns italienischer Herkunft, war kurz vor 1820 mit dem als Bürgermeister eingesetzten Hauptmann Bernhard von Schücking als dessen Privatsekretär nach Sassenberg gekommen. Er heiratete die Lehrerstochter Maria Anna Lietmann aus dem Haus 83 (heute Mühlenplatz). Sie war übrigens eine Enkelin des fürstbischöflichen Schloßgärtners Ferdinand Breuer und erbte den von diesem gestifteten Lorettobildstock. In seinen letzten Lebensjahren war Adam Deno Beigeordneter der Stadt Sassenberg. Als er 1831 starb, war sein Sohn Franz erst zehn Jahre alt. Die Witwe des Adam Deno führte neben einem Kramladenauch eine Wirtschaft. Dort fand 1855 sogar das Schützenfest statt.

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Haus Deno, später Theben. Nebenan wohnte Bernhard Sökeland, der unter Franz Deno Schriftführer des Vereins war und 1889 den Vogel schoß.

 

Franz Deno legte sein Geld in zahlreichen Grundstücks- und Häuserkäufen an, u.a. besaß er kurzzeitig das alte Amtsrentmeisterhaus. Als das elterliche Haus durch Brand zerstört wurde, baute er es 1852 neu auf und richtete ein für damalige Verhältnisse großräumiges Manufakturwarengeschäft ein. Während seine Tochter Maria später das Geschäft weiterführte, heiratete die Tochter Anna den Schmiedemeister Caspar zum Egen im Klingenhagen, den Sohn des Vereinsgründers Melchior zum Egen. Franz Deno starb am 14. Oktober 1894 als 73-jähriger an Wassersucht. Es ist immerhin möglich, daß er der unmittelbare Vorgänger des Vorsitzenden Anton Markfort (geb. 1847) war, der 1893 erstmals als Präses des Vereins genannt wird. Auch fast alle anderen höheren Chargen des Vorstandes hatten familiäre Beziehungen zueinander bzw. standen in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu den Vereinsgründern.

Fähnrich Anton Breuer, Klingenhagen 18 1, Vater von Schmied Josef Breuer, war mit Anna zum Egen, der Tochter Melchior zum Egens verheiratet und somit auch mit Denos verwandt. Außerdem hatte er mit seinem Vorsitzenden Franz Deno einen gemeinsamen Vorfahren in Schloßgärtner Job. Bernh. Breuer.

Major Bernhard Krumkamp (sein eigentlicher Name war Casum) war ein Vetter von Arnold Suer, der Katharina zum Egen, die zweite Tochter Melchior zum Egens, zur Frau hatte. Er wohnte in dem heute Breuerschem Hause auf der Schloßstraße Nr. 10, das im August 1875 durch Blitzschlag abbrannte. Im Jahre 1858 stiftete er den noch heute erhaltenen Bildstock an der Warendorfer Straße, das sogenannte "Krummen Beld".

Der stellvertretende Vorsitzende Friedrich Wilhelm Hunkenschröder, Vater des "Hahnenkönigs" Josef Hunkenschröder, konnte seinen ersten Vorsitzenden als Onkel anreden; seine Mutter Katharina Arthkamp war über die Familie Lietmann eine Cousine Franz Denos.

Der Adjutant Jakob Wallmeyer schließlich war der Sohn des Vereinsgründers Heinrich Wallmeyer. Über spätere Veränderungen in der personellen Besetzung des Vorstandes unter Franz Deno gibt es keine kompletten Unterlagen mehr. Von den bis zum Jahre 1893 im Vorstand tätigen Schützenbrüdern sind uns nur deren Namen erhalten, die Jahr für Jahr die Anträge für die Genehmigung des Schützenfestes unterschrieben, d.h. in der Regel die stellvertretenden Vorsitzenden, die gleichzeitig die Schriftführerarbeit übernahmen: 1860 bis 65 Friedrich Wilhelm Hunkenschröder und 1860 bis 64 Josef Kottenstedde. - Der Schreiner Josef Kottenstedde war der Sohn des Tagelöhners Heinrich Kottenstedde aus Ostenfelde. Dieser wohnte im Lappenbrink 84 (später Schriewer) zwischen dem Schützenfestwirt Arthkamp und dem Ostenfelder Franz Deitert, der sich bei Hanfgarn eingeheiratet hatte. Die Näherin Gertrud Kottenstedde, Schwester von Josef, war mit Bernhard Twehues verheiratet. 1890 saß sie mit ihrem Nachbarn Johann Kiewit auf demSchützenthron. Josef Kottenstedde heiratete die Tochter des Zimmermeisters und Musikers Johann Heinrich Spilker und wohnte danach in deren Haus Langefort 42 (heute Ostlinning). Später verzog er mit seiner Familie nach Barop bei Dortmund.

1867 bis 73 Christian Rath und 1877 bis 79 Heinrich Rottwinkel. - Seit 1855 Pächter der fürstlichen Mühle unter den Erbpächtern von Schücking, erwarb Rottwinkel 1865 gemeinsam mit Christian Rath diese Mühle vom Fiskus. Rath zog sich 1877 daraus zurück, Rottwinkel mußte 1889 Konkurs anmelden. 1880 - 87 Bernhard Brameyer. - Lebensmittelhändler, Schürenstraße 57 (später Schröder). Seine Schwester Anna heiratete Melchior Lackamp im Klingenhagen 186. Die Familie Lackamp stellte im Verein mehrere Offiziere, Vorstandsmitglieder und Könige. Der Schwiegersohn Bernhard Brameyers der Schmied Josef Droste, war von 1897 bis 1900 Zugführer.

1881 bis 89 Bernhard Sökeland. - Anstreichermeister im Haus Nr. 36 (später Geschäft Vennemeyer) und Nachbar des Vorsitzenden Franz Deno. Er schoß 1889 den Vogel und wählte die Frau seines Vorstandskollegen Heinrich Breuer zur Königin.

1891 ff. Heinrich Breuer. - Viehhändler Lappenbrink 258. Er gehörte dem Vorstand bis zu seinem Tod im Jahr 1918 an, und zwar als Major, Beisitzer und seit 1912 als erster Vorsitzender. 1891 war er Schützenkönig, 1902 Schützenkaiser mit Maria Deno, der Tochter des früheren Vereinspräsidenten Franz Deno. Er kaufte namens des Vereins 1910 die Schützenwiese und übernahm die Bürgschaft für die Kredite.

Im Jahre 1893 wurde eine neue Satzung verabschiedet und fanden Vorstandswahlen statt. Von diesem Zeitpunkt an sind die Namen aller Mitglieder des Vorstands und des Offizierskorps bis auf den heutigen Tag bekannt.