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Männer vom Weckruf holen Schützen aus den Betten

     
 

Aufgeweckte Schützenbrüder: (v.l.) Hermann Pelster, Heinz Böckmann, Felix Tarner und Frank Schöne sorgen am Schützenfestmontag dafür, dass niemand das Jahresfest verschlafen kann.   Bild: Austrup

Sassenberg (ra) - Wenn in den nächtlichen Straßen der Hesselstadt das bekannte „Freut Euch des Lebens“ erklingt, dann weiß es auch der Letzte: Es ist Schützenfest. Genauer gesagt Schützenfestmontag. Zeit für den großen Auftritt des „Weckkommandos“ des Spielmannszugs.

Wie lange es die Tradition des morgendlichen Weckens mit Musik schon gibt, das wissen Heinz Böckmann, Felix Tarner, Hermann Pelster und Frank Schöne nicht genau. Von ihnen ist jeder schon 30 Jahre dabei. In Pelsters Wintergarten plaudern sie aus dem Nähkästchen:

Los geht es meist schon um 2 Uhr morgens. Früher mit dem Trecker samt Anhänger, dann per Unimog, später mit dem Lkw. Hermann Pelster am Steuer, der Spielmannszug mit Trommeln, Lyra, Becken und Pauken auf der Ladefläche. Seit vier Jahren gibt es den Bus. Ihn fährt Heinz Böckmann.

Während der Fahrt sind Türen und Fenster weit geöffnet. Schließlich wollen die Spielleute weithin gehört werden. 46 Kilometer misst ist die aktuelle Strecke, 65 ehemalige Könige, Schützenpräsidenten und Vorstandsmitglieder wollen „geweckt“ werden. Aus dem Bett bekommen haben die Musiker noch jeden, auch wenn es bisweilen ein wenig länger (und lauter) zugeht.

Da kommt der eine oder andere schon mal mit kleinen Augen im Bademantel und mit falsch herum aufgesetztem Schützenhut aus dem Haus. „Wir sehen genau, wer zuvor eine kurze Nacht gehabt hat“, schmunzelt Tarner.

Eins ist an jeder Station gleich: Ob Heinz Scheffer, der als ehemaliger Vizepräsident als erster besucht wird, oder einer der zahlreichen ehemaligen Könige – keiner tritt mit leeren Händen auf die Straße. Ob Mettendchen, Schmalzstullen oder eiskalter Malteser; um das leibliche Wohl unterwegs müssen sich die Männer vom Weckruf nicht sorgen.

Apropos Malteser: „Früher, als es nur so an die 25 Stationen waren, hatte mancher den Ehrgeiz, bei jedem Halt einen Korn zu trinken. Heute wäre das wohl kaum möglich“, weiß Hermann Pelster. Er als langjähriger Fahrer hat natürlich sowieso nur zum Kaffee gegriffen. Das allerdings reichlich. Oder zum legendären Rührei bei Reinhold Borgmann: „Aus der Kupferpfanne, das war ein unumstrittener Höhepunkt unserer Fahrt.“ „Und erst die Fischplatte bei Heinz und Elisabeth Böckmann. Ein Gedicht“, kommt Felix Tarner regelrecht ins Schwärmen. Erst beim jeweils amtierenden König endet die Arbeit, meist so gegen 6 Uhr. Dann wird noch einmal aufgefahren. Der Regent ist für das Frühstück seiner Musiker verantwortlich.

Die bringen, trotz der vielen Stationen, stets einen guten Appetit mit. Schließlich haben sie unterwegs mindestens 150 Lieder gespielt, davon 65-mal „Freut Euch des Lebens“. Und manch aufgeweckte Schützenschwester hat die Musiker spontan zum Tango aufgefordert. „Wir sind für jeden Spaß zu haben, schließlich sind wir mit Leib und Seele Schützenbrüder“, sagen Pelster, Böckmann, Schöne und Tarner wie aus einem Munde.

Doch manchmal mussten sie auch brenzlige Situationen gemeistert. Wie vor zehn Jahren an der Breslauer Straße, als um 3 Uhr plötzlich ein Streifenwagen vor dem Lkw mit seiner lebensfrohen Ladung stand. Was sie da täten sei Ruhestörung, sagten die Beamten. Jetzt sei aber „Schluss mit lustig“.

„Im Gegenteil, wir fangen gerade erst an“, entgegnete Heinz Böckmann keck. Doch dann klärte sich die Situation auf. Nicht wegen des Weckkommandos, sondern ob mehrerer Jugendlicher, die mit dem Ghetto-Blaster in der Straße unterwegs waren, war die Streife gerufen worden, klärten aufmerksam gewordene Nachbarn auf. Gegen „Freut Euch des Lebens“ habe man keine Einwände. Der Spielmannszug durfte weitermachen.

Gegen 7 Uhr sind die Weckleute dann, gut gestärkt durch ein königliches Frühstück, wieder zuhause. Einmal kurz unter die Dusche, dann müssen sie auch schon wieder los. Denn um 8.30 Uhr wartet das Antreten vor der Königschänke. Und das anschließende Schießen an der Vogelstange. Dort wollen sich die Weckrufer in diesem Jahr zahlreich einfinden. Schließlich sind sie am Montag zwar immer als erste auf den Beinen, doch der Königsschuss ist noch keinem vom Team gelungen. „Wir Musiker haben beim Fest so viel zu tun, dass wir kaum zum Schuss kommen“, sagt Tarner.

Aber in diesem Jahr, dem Jubiläumsjahr, könnte ja mal alles anders sein als sonst. Zu wünschen wäre es den frühen Vögeln.

Quelle: "Die Glocke" vom 25.06.2014 /  Text & Foto: R. Austrup